Der hohe Dachstein

 

 

Der mächtige Klotz des Dachsteins, der beeindruckendsten Gebirgsgruppe der Nördlichen Kalkalpen, steht wie eine gewaltige Festung zwischen Ennstal und Salzkammer-gut. Bis knapp an die 3000-Meter-Grenze reichen die Gipfel des Zentralstocks, der im Süden in einzigartiger Wandflucht 800 m tief abstürzt. Die Nordabdachung trägt drei respektable Gletscher: den großen Gosaugletscher zwischen Hohem Dachstein und Adamek-Hütte, den Hallstätter Gletscher oberhalb der Simony-Hütte und den Schladminger Gletscher, der flach genug ist, um hier Skifahrern wie Langläufern in den Sommermonaten als Traininggelände dienen. Im Westen flankiert der zerrissene Gosaukamm dieses Bild, und im Osten dehnt sich die ungeheure karstige Hochfläche „Am Stein“ aus. Das nördlich vorgelagerte Salz-kammergut mit seinen romantischen Seen und auch das geschützte Plateau der Ramsau im Süden bilden zur hochalpinen Strenge des Dachsteins den idealen Kontrast. Diese Vielfalt gegensätzlicher Landschaften lässt das Massiv geradezu als ein „Mustergebirge“ der Nördlichen Kalkalpen erscheinen.

Auf diese scheinbar heile Urwelt fallen bereits die ersten Schatten unserer fortgeschrittenen Zivilisation, seit Seilbahn-Erschließer dem Berg von zwei Seiten zu Leibe rücken. Die unmittelbaren Folgen von deren Eingriffen in die Natur bekam 1982 die Bevölkerung von Hallstatt zu spüren: Ihr Trinkwasser-Reservoir, der Hallstätter Gletscher, war mutmaßlich von Fäkalien, Abwässern und Ölresten und anderen „Müll“ der Seilbahn-Bergstation am Hunerkogel – derart verunreinigt, dass Wasser nur noch in abgekochtem Zustand genießbar war. 8 Stunden nur fließt das Wasser vom Gletscher ins Tal, zuwenig Zeit, um sich selbst zu reinigen. Nachsorgeprobleme, die man schon bei der Planung hätte erkennen müssen !

 

Die schöne, alte Welt des Dachstein-Massivs lässt sich auf einer vier- bis fünftägigen Wanderung erkunden, wenn man über Ausdauer für lange Etappen, Trittsicherheit und Schwin-delfreiheit für einige gesicherte Passagen und Orientierungssinn für die Querung der wüsten Karstfläche verfügt – kurz gesagt: über hochalpine Erfahrung, die ja auch Mut zur Umkehr beinhaltet. Die Bergfahrt mit der Dachstein-Seilbahn von Obertraun herauf sollte man gleich zweimal unterbrechen. Einmal nach der ersten Teilstrecke, bei der Station Schönberg-Haus, um in das geheimnisvolle Innere des Massivs vorzudringen: in die Rieseneishöhlen und die Mammut-höhle, die zu den eindrucksvollsten erschlossenen Höhlen der Welt zählen. Zum andern nach der zweiten Teilstrecke, an der Station Krippenstein, um sich einen groben Überblick über die erste Wegstrecke mitten durch die zu Fels erstarrten Wogen des Hochplateaus zu verschaffen. Schließlich steht man nämlich kurz darauf wieder 300 m tiefer bei der Station Gjaid-Alm, unweit des Schilcher-Hauses.